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Beratung

Kranke Mütter in der Stillzeit

Welche Arzneimittel unbedenklich sind

Muttermilch – in ihr steckt alles, was ein Baby für einen guten Start ins Leben benötigt. Sie ist Nahrung, Medizin und Superfood in einem. So wie das Baby sich entwickelt und wächst, so verändert sich auch die Zusammensetzung der Muttermilch. Wie ein maßgeschneiderter Diätplan, passt sich ihre Zusammensetzung den individuellen Bedürfnissen des Säuglings an. Ein wahres Wunder der Natur. Doch was ist, wenn die Mutter erkrankt? Kann Muttermilch während einer Arzneimitteltherapie schädlich für den Säugling werden? | Von Dorothée Malonga Makosi 

In der Muttermilch finden sich Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate, Elektrolyte und viele Vitamine – alle Bestandteile einer ausgewogenen Ernährung sind enthalten (s. Tab. 1). Als zusätzliche Besonderheit enthält Muttermilch Substanzen, die über den reinen Ernährungsaspekt hinaus wertvoll sind für das Kind:

  • Leukozyten, Makrophagen oder Stammzellen schützen den Säugling und stärken sein Immunsystem nachhaltig
  • essenzielle Aminosäuren und Proteine, die das Wachstum fördern und speziell auch die Entwicklung des Darms als Sitz der Immunabwehr
  • Enzyme wie Lysozym und Lactoferrin, die die Verdauung fördern und z. B. dem Säugling die Eisen-Aufnahme ermöglichen
  • Wachstumsfaktoren, die sich positiv auf die Entwicklung von Darm, Blutgefäßen, Nervensystem oder das endokrine System des Babys auswirken
  • Hormone, die z. B. den zirkadianen Rhythmus des Babys steuern
  • Vitamine und Mineralstoffe, die zum Aufbau der Zähne und Knochen beitragen
  • essenzielle (ungesättigte) Fettsäuren, wie z. B. Linolsäure und Gamma-Linolensäure
  • Immunglobulin A, G und M, die den jungen Organismus vor Krankheiten und Infektionen schützen

 

Tab. 1: Zusammensetzung und Energiegehalt von Frauenmilch im Vergleich mit Kuhmilch
in 100 ml
Frauenmilch
Kuhmilch
Kolostrum
Übergangsmilch
reife Muttermilch
Gesamt­eiweiß [g]
2,7
1,6
0,9 bis 1,2
3,3
Lactose/Kohlen­hydrat [g]
5,3
6,5
6,9
4,8
Fette [g]
1,9
2,8 bis 3,6
3,5
3,5
Mineralstoffe [g]
0,33
0,24
0,21
0,72
Energie [kcal/kJ]
54/226
62/259
67/280
66/276

Die Milchproduktion

Muttermilch ist nicht gleich Muttermilch, sie verändert sich im Laufe der Zeit. In den ersten Tagen nach der Geburt wird unter dem Einfluss von Prolaktin das sogenannte Kolostrum in den Laktozyten gebildet. Diese Erst- oder Vormilch ist dickflüssig und klebrig. Im Volksmund nennt man sie aufgrund ihrer gelblich-braunen Farbe und besonderen Bedeutung für das Neugeborene auch „flüssiges Gold“. Eine Frau produziert etwa 40 bis 50 ml Kolostrum pro Tag. Das ist in etwa nur ein Zehntel der späteren Milchproduktion. Da das Fassungsvermögen des Babymagens zunächst etwa so groß wie eine Walnuss ist und das Kolostrum sehr gut verdaulich und überaus reich an wertvollen Nährstoffen ist, reicht diese vergleichsweise geringe Menge an Vormilch aus.

Auf das Kolostrum folgt etwa in der zweiten Woche nach der Geburt die Übergangsmilch. Die Zusammensetzung und die produzierte Menge verändern sich, in Abhängigkeit des Saugens und der Entleerungshäufigkeit. Die transitorische Milch enthält nun deutlich mehr Fett, Kalorien und Kohlenhydrate (in Form von Lactose). Stillende Mütter berichten nun auch zum ersten Mal vom sogenannten „Milcheinschuss“, denn die produzierte Milchmenge steigt schnell an, um den Bedarf des Säuglings zu decken, der zwischen 300 ml und 800 ml pro Tag liegt.

Ab der vierten Wochen post partum produziert die Mutter sogenannte reife Muttermilch. Täglich werden zwischen 500 ml und 800 ml produziert. Auch jetzt richtet sich die Zusammensetzung der Milch nach den Bedürfnissen des Kindes (s. Tab. 1). In Abhängigkeit von Alter, Geschlecht des Kindes und der Tageszeit zeichnet sie sich besonders durch einen hohen Protein-Gehalt, viel Zucker, Vitamine und Mineralstoffe aus. Zu 87% besteht Muttermilch aus Wasser. Daneben finden sich Wachstumsfaktoren, Hormone, Enzyme und immunkompetente Zellen. Ein Rundum-sorglos-Paket für das Baby, um in den kommenden Wochen und Monaten ordentlich zu wachsen. Die Zusammensetzung der Muttermilch bleibt ab diesem Zeitpunkt nahezu konstant. Die Ernährung der Mutter hat, anders als frau vermuten würde, relativ wenig Einfluss auf die Qualität und Zusammen­setzung der Milch. Allerdings kann über die vermehrte Aufnahme von wasserlöslichen Vitaminen und langkettigen ungesättigten Fettsäuren, die Hirnentwicklung oder die Entstehung atopischer Erkrankungen (z. B. Neurodermitis) beeinflusst werden. Wenn aber Mutter oder Kind im Laufe der Stillzeit z. B. krank werden, produziert die Mutter automatisch maßgeschneiderte Antikörper, die dann über die Muttermilch an das Kind abgegeben werden und zur Genesung beitragen. Leichte Veränderungen, die von der Tageszeit abhängig sind, sorgen dafür, dass die Milch am Abend eine höhere Konzentration schlafanstoßender Hormone enthält, um dem Baby das Einschlafen zu erleichtern.

Stillen ist gut für Mutter und Kind

Die positiven Eigenschaften von Muttermilch für den Säugling sind allseits bekannt. Das Stillen an sich, sorgt auch für eine intensive Beziehung zwischen Mutter und Kind (Bonding). Frauen, die gestillt haben, tragen ein geringeres Risiko für Brust- und Ovarialkarzinome. Gestillte Kinder leiden seltener unter Übergewicht, Diabetes oder Asthma.

Muttermilch enthält auch eine große Menge Immunglobuline. Durch die Aufnahme der mütterlichen Antikörper, die auch schon bereits intrauterin über die Plazenta an den Fötus abgegeben werden, wird der gestillte Säugling optimal auf die Zeit außerhalb des schützenden Mutterleibs vorbereitet. Diese besondere Form der passiven Immunisierung wird auch als Nestschutz bezeichnet. Bis das Baby durch den Kontakt mit der Außenwelt selbst aktiv immunisiert wird, wird es in den ersten Lebensmonaten beim Stillen durch Immunglobuline A aus der Muttermilch weiter geschützt. Ein besonders hoher Anteil ist im Kolostrum enthalten. Doch was ist, wenn nicht nur Gutes seinen Weg durch die mütterliche Brust zum Kind findet? Was ist, wenn von der Mutter dringend benötigte Arzneimittel während der Stillzeit eingenommen werden müssen? Die gute Nachricht vorab: In den meisten Fällen ist ein Abstillen nicht nötig.

Stillen und Medikamenteneinnahme

Im Grunde gehen die meisten Arzneistoffe früher oder später in die Muttermilch über. Viel wichtiger ist deshalb die Frage, wie viel davon tatsächlich beim Kind ankommt. Bevor ein Arzneimittel von der Mutter auf den gestillten Säugling übertritt, müssen einige Barrieren überwunden werden. Die erste Barriere mütterlicherseits wird durch die perorale Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs definiert. Es ist ausschlaggebend, wie viel Arzneistoff nach Metabolisierung und Ausscheidung in den mütterlichen Blutkreislauf gelangt. Von dort werden sie zu den Brustdrüsen transportiert, wo einige Substanzen erneut verstoffwechselt werden. In der Brustdrüse gelangen Stoffe transzellulär entweder durch aktive oder passive Diffusion aus der Blutbahn in die Muttermilch. Dies verändert sich im Laufe der Zeit. Vor und während der Geburt sind die Epithelzellen der Milchgänge noch relativ permeabel. Dadurch gelangen größere Moleküle wie Proteine oder Immunglobuline verhältnismäßig leicht in das Milchkompartiment und bestimmen maßgeblich die Zusammensetzung des Kolostrums, das dadurch eine große Ähnlichkeit mit Blutplasma aufweist.

Im weiteren Verlauf – etwa ab der Übergangsmilch – verringert sich die Permeabilität im Brustgewebe. Nun wird die Durchlässigkeit der Arzneistoffe begünstigt durch eine gute Fettlöslichkeit, geringe Molekularmasse (< 200 Da), einen geringen Ionisationsgrad und/oder eine niedrige Protein-Bindung im Blutplasma der Mutter. Denn nur nicht Protein-gebundener Arzneistoff kann in die Muttermilch übertreten. Auch der pH-Wert beeinflusst die Risiken einer Pharmakotherapie während der Stillzeit: Muttermilch hat einen relativ niedrigen pH-Wert (6,8 bis 7,1), der pH-Wert im Blutplasma beträgt 7,4. Dieses Gefälle erklärt, weshalb alkalische Substanzen leichter vom mütterlichen Plasma in die Milch übergehen und die Muttermilch für basische Substanzen zur Ionenfalle werden kann. Auch lipophile Substanzen werden in der Muttermilch aufgrund ihres höheren Fettgehalts im Vergleich zum Plasma angereichert.

Auf der Säuglingsseite gibt es einige wenige natürliche Barrieren, die den jungen Organismus schützen können. Nicht alle Stoffe, die über die Muttermilch in den Magen-Darm-Trakt des Babys gelangt sind, können auch von diesem aufgenommen werden. Viele werden entweder direkt abgebaut oder durch die Bildung unlöslicher Komplexe schwer resorbiert, wie Tetracycline, die an Calcium-Ionen aus der Muttermilch gebunden werden. Dennoch ist zu bedenken, dass bei Neugeborenen im Vergleich zu Erwachsenen die Permeabilität ihrer Darmwand deutlich erhöht ist. Besonders größeren Molekülen wird es dadurch erleichtert, den Magen-Darm-Trakt zu passieren und ins Blut überzutreten. Ebenso ist aufgrund der noch nicht vollends ausgebildeten Salzsäureproduktion der Magen-pH-Wert noch leicht erhöht. Die Produktion von Gallensäure und Pankreasenzymen ist noch unterentwickelt und die Darmpassagezeit verlängert. Gleiches gilt für die noch nicht ausgereiften Metabolisierungs- und Ausscheidungskapazitäten von Leber und Niere.

Wie hoch ist der Arzneistoffanteil in der Milch?

Wie kann also eine valide Risikoabschätzung für etwaige Auswirkungen einer medikamentösen Dauertherapie während der Stillzeit erfolgen? Wirklich präzise Angaben können nur durch eine Serumanalyse beim Baby erfolgen. Es gibt aber gute Methoden, die kindliche Exposition mit durch die Muttermilch aufgenommenen Substanzen abzuschätzen.

Eine gängige Methode ist der Vergleich der Dosis des Kindes (pro kg Körpergewicht [KG]) mit der therapeutischen Tagesdosis der Mutter (pro kg KG) oder der körpergewichtadjustierten Tagesdosis im Säuglingsalter (sofern bekannt). Als Faustregel gilt: weniger als 3% der relativen therapeutischen Tagesdosis pro kg Körpergewicht sind höchstwahrscheinlich unbedenklich für das Kind. Cave! Eine mögliche Anreicherung wirksamer Metabolite darf nicht außer Acht ge­lassen werden. Gleiches gilt für Wirkstoffe mit langer Halbwertszeit, die zu einer Akkumulation im Babyorganismus führen kann. Im Durchschnitt produziert eine stillende Mutter etwa 500 bis 800 ml Milch pro Tag. Davon trinkt ein Säugling durchschnittlich 150 ml pro kg Körpergewicht pro Tag. Die absolute Substanzmenge, die ein Säugling über die Muttermilch an einem Tag aufnimmt, kann mithilfe der Konzentration ermittelt werden:

Konzentration Muttermilch (CM) × Volumen Muttermilch (VM)

Wie viel Substanz tatsächlich in der Muttermilch enthalten ist, kann vom Milch/Plasma-Quotienten (M/P-Quotient) abgeleitet werden:

M/P-Quotient = Konzentration Arzneistoff in der Milch / Konzentration Arzneistoff im mütterlichen Plasma

Dieser Verteilungsquotient kann zum Vergleich von Arzneimittelrisiken herangezogen werden und ist abhängig von den physikalisch-chemischen Eigenschaften des Arzneistoffs sowie den physiologischen Besonderheiten der mütterlichen Kompartimente Blutplasma (inklusive einer möglichen Verteilung in der Muskulatur und im Fettgewebe), Muttermilch und Barrieren aus verschiedenen Zellverbänden. Bei Werten < 1 ist eine Anreicherung in der Muttermilch zwar nicht ausgeschlossen, aber relativ unwahrscheinlich. Bei Werten > 1 wird es kritischer. Allerdings spiegelt der M/P-Quotient nicht die genauen physiologischen, individuellen Verhältnisse wider. Eine deutlich validere Risiko­abschätzung kann mittels der relativen Dosis erfolgen, die über die Muttermilch an das Kind übertragen wird:

relative Dosis (in %) = [(Dosis via Muttermilch / kg) / (Dosis der Mutter / kg)] * 100

Welche Arzneistoffe sind besonders problematisch?

Für viele Arzneistoffe hat sich die Evidenzlage für die Anwendung in der Stillzeit mittlerweile verbessert. Frauenärzte und Hebammen empfehlen nicht mehr per se ein Absetzen der Arzneimitteltherapie oder ein Aussetzen des Stillens. Dennoch sollten Arzneimittel nur nach einer strengen Indikationsstellung und unter engmaschiger Kontrolle von Mutter und Kind eingesetzt werden. Die folgenden Kriterien sollten in jedem Fall berücksichtigt werden:

  • Sind nicht-medikamentöse Alternativen ausgeschöpft?
  • Ist der Arzneistoff schon lange auf dem Markt und das Nebenwirkungsprofil bekannt?
  • Ist eine Monotherapie möglich?
  • Es sollte die geringste Dosis gewählt werden.

Muss doch eine medikamentöse Therapie begonnen oder eine Dauertherapie fortgeführt werden, hat sich gezeigt, dass toxische Konzentrationen in der Muttermilch seltener als zuvor angenommen gemessen werden. Gerade bei Einmalgaben oder kurzzeitiger Anwendung liegen die gemessenen Spiegel meist weit unter einer für den Säugling therapeutischen Dosis. Etwas anders verhält es sich bei wiederholter Gabe oder Arzneimitteln mit verlängerter Halbwertszeit. Hier lassen sich einige Wirkstoffklassen nennen, bei denen die Einnahme während der Stillzeit nach wie vor kritisch überprüft werden muss:

  • Zytostatika: Es liegen vergleichsweise wenige Daten zum Übergang von Zytostatika in die Muttermilch vor. Nachweisbare Konzentrationen konnten für Cisplatin, Etoposid, Cyclophosphamid, Methotrexat etc. bestimmt werden. Dennoch lautet hier die allgemeine Empfehlung Abstillen. Anders die Empfehlung bei der Therapie mit Mistel-Präparaten (Viscum album). Hierbei muss nicht zwingend abgestillt werden.
  • Opiode: Grundsätzlich sollte der Einsatz von Opioiden und Opioid-Derivaten mit besonderer Vorsicht abgewogen werden. Sie sollten während der Stillzeit nur möglichst kurzfristig angewendet werden. Von einer Dauertherapie ist abzuraten.
  • Kombinationstherapien mit mehreren Psychopharmaka oder Antiepileptika (vor allem in Kombination mit Lamotrigin, Benzodiazepinen oder Lithium).
  • Iod-haltige Kontrastmittel, Expektoranzien oder großflächige Iod-haltige Desinfektion: Eine Aufnahme von freiem Iod durch den Säugling, die über die empfohlene Dosierung hinausgeht, kann nicht ausgeschlossen werden.
  • Radionuklide: Ist ein Einsatz unaufschiebbar, sollte in Abhängigkeit zum verwendeten Isotop eine Stillpause ein­gehalten werden.

Diabetes mellitus

Für Mütter mit Diabetes mellitus gibt es keine Einschränkungen, wenn sie ihr Kind stillen wollen. Wichtig ist hier nur, dass die Insulin-Dosis angepasst werden muss. Der Insulin-Bedarf verringert sich durchs Stillen um etwa 20% bei gleichzeitig erhöhtem Energieverbrauch. Etwa 500 bis 800 kcal/Tag werden durchs Brustfüttern verbrannt. In den meisten Fällen sollte die Frau eine Extraportion Kohlen­hydrate zu sich nehmen, um eine Unterzuckerung zu vermeiden. Die medikamentöse Therapie sollte während der Stillzeit als Mittel der Wahl mit Insulin erfolgen. Alternativ können auch Metformin oder Glibenclamid eingesetzt werden. Mutter und Kind sollten dabei aufmerksam beobachtet werden.

Literaturtipp

Gut beraten in Schwangerschaft und Stillzeit

Husten, Heuschnupfen oder Herpes sind in Schwangerschaft und Stillzeit mindestens genauso lästig wie unter normalen „Umständen“. Und doch ist alles anders. Physiologische Besonderheiten des Körpers Schwangerer und Stillender und gleichzeitig die Vulnerabilität des Ungeborenen oder Säuglings stellen besondere Anforderungen an die Auswahl des richtigen, unbedenklichen Arzneimittels. Gerade im Bereich der Selbstmedikation ist der Informationsbedarf Schwangerer und Stillender groß – Ihre Beratungskompetenz ist gefragt! Dieses umfassende Handbuch ist der Schlüssel dazu:

Allgemeine Informationen zur Pharmakotherapie, zu ergänzenden Maßnahmen, Impfungen, Ernährungsfragen und Infek­tionen in Schwangerschaft und Stillzeit schaffen eine breite Wissensbasis.

Das Kernstück des Buches sind die Ampeltabellen mit ganz konkreten Empfehlungen zu Arzneimitteln aller Therapierichtungen. Alle wichtigen Indikationen der Selbstmedikation in Schwangerschaft und Stillzeit sind dort abgebildet. Ausführliche Erörterungen der Einzelbewertungen flankieren die Tabellen.

Besondere Specials sind die Rubriken „Der ärztliche Rat“ mit Extratipps vom Gynäkologen und „Exkurs“ mit relevanten Hinweisen zur Anwendung von Rx-Arzneimitteln – und als ultimativ praktisches Tool: die beiliegende HV-Broschüre mit allen Ampeltabellen zum schnellen Nachschlagen für eine erstklassige Beratung!

Von Annette Abhau
Selbstmedikation in Schwangerschaft und Stillzeit
Handbuch für die Beratung
XXII, 666 S., HV-Broschüre mit Ampeltabellen, 17,0 × 24,0 cm, kartoniert 58,00 Euro
ISBN 978-3-7692-5032-9
Deutscher Apotheker Verlag 2021

 

Einfach und schnell bestellen
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Epilepsie

Bei einer Epilepsie sollten die Risiken der Erkrankung selbst und die Antiepileptika abgewogen werden. Nach strenger Indikationsstellung ist eine Monotherapie mit Antiepilep­tika möglich. Unter einer Kombinationstherapie sollte auf das Stillen verzichtet werden. Ebenfalls kritisch wird der Einsatz von Barbituraten, Clonazepam, Ethosuximid oder Lamotrigin eingestuft.

Depression

Eine Depression sollte in jedem Fall entweder medikamentös oder mit Psychotherapie behandelt werden. Antidepressiva, die bereits in der Schwangerschaft eingesetzt werden können, können während der Stillzeit bei guter Verträglichkeit weitergegeben werden. Ein Abstillen ist nicht erforderlich. Mittel der Wahl ist der selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Sertralin. Paroxetin oder Citalopram sind gute Alternativen. Nicht zu empfehlen ist Doxepin. Hier kann es beim gestillten Säugling zu schwerwiegenden Symptomen, wie Sedierung bis hin zur Atemdepression kommen.

Hypothyreose

Eine Schilddrüsenunterfunktion sollte bereits vor und in jedem Fall während der Schwangerschaft engmaschig kontrolliert und mit L-Thyroxin behandelt werden. In der Stillzeit sollte die Einnahme fortgeführt werden, da es neben den bekannten Auswirkungen auf die Mutter auch zu einer verminderten Milchbildung aufgrund der hypothyreoten Stoffwechsellage kommen kann.

Policystisches-Ovar-Syndrom

Das Policystische-Ovar(POC)-Syndrom ist eine multifaktorielle Erkrankung, die oft mit einer vermehrten Androgen-Produktion einhergeht, die sich ungünstig auf die weibliche Fertilität auswirken kann. Viele Patientinnen leiden zusätzlich auch unter einer Insulin-Resistenz. Off label hat sich hier der Einsatz von Metformin bewährt. Unter Metformin-Einnahme darf grundsätzlich weiter gestillt werden. Geringe Mengen Metformin sind in der Muttermilch zwar nachweisbar, allerdings konnten bisher keine Auswirkungen auf den gestillten Säugling festgestellt werden.

Infektionen

Bei einer Infektion ist es entscheidend, ob sich der Säugling durch Kontakt mit der Mutter (z. B. Varizellen) oder über die Muttermilch anstecken kann. Letzteres ist selten der Fall. Bei leichten bakteriellen Infekten des Magens oder Halses ist Stillen unter Berücksichtigung einer adäquaten Hygiene weiterhin möglich. Eine Stillpause von ein bis zwei Tagen sollte bei einer Infektion mit Streptokokken Typ A und B eingehalten werden. Sobald die antibiotische Therapie anschlägt, kann weiter gestillt werden. Geeignete Antibiotika während der Stillzeit sind Penicillin, ältere Cephalosporine und Makrolide. Der M/P-Quotient liegt für Penicillin < 1. Ein vollgestilltes Baby erhält meist deutlich weniger als 1% einer therapeutischen Dosis. Bei einer Infektion mit Viren muss abgewogen werden, da einige Viren über die Muttermilch übertragen werden können. Bei Bagatell-Virusinfektionen wie mit Grippe-Viren oder gängigen Magen-Darm-Infekten muss keine Stillpause eingelegt werden. Auch mit SARS-CoV-2-infizierte Mütter können nach aktueller Datenlage und unter Einhaltung besonderer Hygienemaßnahmen ihren Säugling weiterstillen. Ganz anders ist es bei einer Infektion mit HI-Viren, Hepatitis-C-Viren (HCV) oder Zytomegalie-Viren (CMV). Stillen ist unter diesen Umständen kontraindiziert. Bei einer mit Hepatitis-A- oder –B-Viren infizierten stillenden Mutter sollte das Kind zuvor im Sinne einer passiven Immunisierung mit Immunglobulinen behandelt werden.

Auf einen Blick

  • Besorgte stillende Mütter können in den meisten Fällen beruhigt werden: Die Vorzüge des Stillens für Mutter und Kind überwiegen oft etwaige Risiken, die mit einer Arzneimitteltherapie in der Stillzeit einhergehen.
  • Dennoch sind eine strenge Indikationsstellung und Risikoabwägung sowie eine ausführliche Beratung mit dem behandelnden Arzt, der Hebamme und dem Apotheker angeraten.
  • Das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité bietet für die Eltern und auch für medizinische Fachkreise ausführliche Informations- und Beratungsangebote: www.embryotox.de

Während der Stillzeit sind Impfungen der Mutter nicht per se kontraindiziert. Auch die Gabe von Immunglobulinen gilt als unbedenklich. Eine Impfung gegen Röteln, die z. B. während der Schwangerschaft kontraindiziert ist, gilt post partum als unbedenklich. Zwar wurden anschließend Röteln-Viren in der Muttermilch nachgewiesen, doch ist eine Erkrankung des Säuglings mit Impfviren als äußerst unwahrscheinlich einzustufen. Falls eine Impfung gegen Röteln erforderlich ist, sollte sie durchgeführt werden. Ebenso verhält es sich mit der Windpocken-Impfung, für die auch keine besonderen Einschränkungen während der Stillzeit gelten. Windpocken-Impfviren wurden bisher weder in untersuchten Muttermilchproben noch in ge­stillten Kindern nachgewiesen. Gegen Typhus und Poliomyelitis sind die Tot- bzw. inaktivierten Impfstoffe den Lebendimpfstoffen vorzuziehen.

Tab. 2: Auswahl geeigneter OTC-Präparatein der Stillzeit
Indikation
Arzneistoffe
Schmerzen und Fieber
Ibuprofen, Paracetamol
Halsschmerzen
Chlorhexidin
Husten
Acetylcystein, Ambroxol
Reizhusten
Dextromethorphan (nur als Einzelgabe)
Schnupfen
Kochsalzlösung, abschwellende Nasentropfen (Kinderdosierung)
Übelkeit (Erbrechen)
Dimenhydrinat
Durchfall
medizinische Kohle, Apfelpektin, Loperamid (im Ausnahmefall!)
Sodbrennen
Magaldrat, Omeprazol
Verstopfung
Indische Flohsamenschalen, Macrogol, Bisacodyl, Natriumpicosulfat, Lactulose
Schlafstörungen
Diphenhydramin
depressive Störungen
Johanniskraut-Extrakt (in niedriger Dosierung akzeptabel)
Allergien
Loratadin, Cetirizin
Läuse
Dimeticon

Empfehlungen für die Selbstmedikation

In der Stillzeit können Bagatellerkrankungen auch im Rahmen einer Selbstmedikation nach ausführ­licher pharmazeutischer Beratung gut und sicher behandelt werden. Zwar gilt auch hier wie immer: so selten und so wenig wie möglich, und es sollten vorher nicht-medikamentöse Therapieansätze ausgeschöpft werden. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die gängigen Präparate, die in der Stillzeit kurzzeitig eingenommen werden können. |

Literatur

Chaves RG et al. Breastfeeding and maternal medications. Journal de pediatria 2004;80:189-198

Coronavirus/ COVID-19 und Stillen: Aktuelle internationale Empfehlungen. Informationen des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation, Stand: 18. Mai 2021,www.stillen-institut.com/de/coronavirus-covid-19-und-stillen-aktuelle-empfehlungen.html

Hamosh M. Bioactive factors in human milk. Pediatr Clin North Am 2001;48(1):69-86

Hassiotou F et al. Cells in human milk: state of the science. J Hum Lact 2013;29(2):171-182

Schaefer C. Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit. Elsevier Health Sciences 2017

Scherbaum V. Stillen: frühkindliche Ernährung und reproduktive Gesundheit. Deutscher Ärzteverlag 2003

Stadelmann I. Die Hebammen-Sprechstunde. 2. Auflage 2020

Still-Lexikon – Infoportal rund ums Stillen, Dr. Zsuzsa Bauer, https://www.still-lexikon.de/

Autorin

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi hat nach ihrer Approbation ein Stu­dium zum Master of Public Health (MPH) an der Berlin School of Public Health (BSPH) der Charité Universitätsmedizin, Berlin, absolviert. Derzeit ist sie als Wissenschaftliche Mit­arbeiterin am Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Statistik (IMBEI) der Universitätsmedizin Mainz mit der Koordination der Evaluation des KiDSafe-Projekts betraut.

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